Insolvenz in Eigenverwaltung: Sanierung statt Liquidierung

Das Wichtigste zur Insolvenz in Eigenverwaltung

Was bedeutet „Insolvenz in Eigenverwaltung“?

Die Eigenverwaltung ist ein Instrument der Unternehmenssanierung, also der Unternehmensrettung. Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung nach § 270 InsO behält das Unternehmen als Schuldner die Verfügungsgewalt und kann weiterhin selbst handeln.

Gibt es einen Insolvenzverwalter bei diesem Verfahren?

Statt einem Insolvenzverwalter bestimmt das Insolvenzgericht einen Sachwalter, der jedoch nur eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion innehat.

Welche Vorteile bringt die Insolvenz in Eigenverwaltung mit sich?

Der größte Vorteil ist, dass die Verfügungsgewalt und Kontrolle bei der Geschäftsführung verbleibt. Weitere Vorteile lesen Sie hier.

Was bedeutet Insolvenz in Eigenverwaltung?

Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist ein Mittel zur Unternehmenssanierung.
Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist ein Mittel zur Unternehmenssanierung.

Meldet ein Unternehmen Insolvenz an, so bestimmt das Insolvenzgericht in seinem Eröffnungsbeschluss zur Regelinsolvenz einen Insolvenzverwalter. Dieser übernimmt von der Geschäftsführung die Kontrolle über den laufenden Betrieb. Er hat die Verfügungsbefugnis und die Finanzhoheit über das Unternehmen. Meistens endet das Insolvenzverfahren mit der Abwicklung und Liquidierung des Unternehmens. Die Geschäftsleitung und sämtliche Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz.

Das muss aber nicht immer so sein. Je nach wirtschaftlicher Situation und Auftragslage kann ein Unternehmen auch gerettet werden. Hierfür hat der Gesetzgeber das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eingeführt. Es ist eigentlich kein eigenständiges Verfahren, sondern nur eine Sonderregelung, die es der Geschäftsführung ermöglicht, ihr Unternehmen zu sanieren und zu erhalten.

Der Schuldner, das insolvente Unternehmen, kann die Insolvenzmasse (Schuldnervermögen) während der Insolvenz in Eigenverwaltung selbst verwalten und darüber verfügen. Gewöhnlich wird ihm jedoch ein (vorläufiger) Sachwalter zur Seite gestellt. Dessen Aufgabe ist es, das Unternehmen bei der Eigenverwaltung zu überwachen.

Die Insolvenz mit Eigenverwaltung bringt einige Vorteile mit sich:

  • Die Geschäftsführung behält die Kontrolle über das Unternehmen.
  • Weil sie weiterhin die Verfügungsgewalt innehat, kann sie ihr Knowhow und Netzwerk bei der Unternehmenssanierung nutzen. Hinzu kommt das Fachwissen des (externen) Sanierungsberaters.
  • Die Geschäftsführung darf das Unternehmen weiterhin nach außen vertreten, wodurch für die Geschäftspartner und Mitarbeiter vertraute Ansprechpartner erhalten bleiben. Dadurch leidet das Image des Unternehmens nicht so sehr wie bei einer herkömmlichen Unternehmensinsolvenz.

Diese Möglichkeit zur Sanierung besteht nur bei der Regelinsolvenz. Auch ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung ist denkbar. Bei der Privatinsolvenz besteht die Möglichkeit einer Insolvenz in Eigenverwaltung hingegen nicht.

Voraussetzungen für die Eigenregie des Unternehmens während der Insolvenz

Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung müssen die Gläubiger des Unternehmens unbedingt mit einbezogen werden.
Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung müssen die Gläubiger des Unternehmens unbedingt mit einbezogen werden.

Das Insolvenzgericht ordnet die Eigenverwaltung während der Insolvenz gemäß § 270 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) nur an, wenn

  • das insolvente Unternehmen einen gesonderten schriftlichen Antrag stellt und
  • keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.“

Es mag einfach klingen, dass der Schuldner lediglich einen Insolvenzantrag zur Insolvenz in Eigenverwaltung stellen muss. Das ist es aber nicht. Denn der Schuldner muss das Insolvenzgericht davon überzeugen, dass sich die Eigenverwaltung wirklich lohnt und dass gute Chancen bestehen, die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen.

Es ist deshalb unbedingt ratsam, einen externen Sanierungsberater ins Boot zu holen, der …

  • bei der Liquiditätsplanung hilft,
  • Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen der Insolvenz erarbeitet und
  • ein Konzept erstellt, wie das Unternehmen nachhaltig saniert werden kann.

Bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung können Unternehmen die Insolvenz in Eigenverwaltung mit einem Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO kombinieren, wenn die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Ablauf der Insolvenz in Eigenverwaltung

Zunächst prüft der Insolvenzrichter den Insolvenzantrag und den Antrag auf Eigenverwaltung. Er muss untersuchen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, also (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Außerdem wird das Gericht das Insolvenzverfahren nur eröffnen, wenn das unternehmerische Vermögen (Insolvenzmasse) ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken.

Im Eröffnungsverfahren, also in der Phase von der Antragstellung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann das Gericht bereits die vorläufige Eigenverwaltung nach der InsO (§ 270a) anordnen. Dann  behält das Unternehmen schon in diesem Zeitraum die volle Kontrolle und Verfügungsgewalt. Währenddessen prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen der Insolvenzeröffnung vorliegen. Wenn ja, eröffnet es die Insolvenz in Eigenverwaltung per Beschluss.

Die Planinsolvenz in Eigenverwaltung dient der Unternehmensrettung, wenn das Geschäft insolvent, aber fortführungswürdig ist.
Die Planinsolvenz in Eigenverwaltung dient der Unternehmensrettung, wenn das Geschäft insolvent, aber fortführungswürdig ist.

Auch bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung muss die Forderungsanmeldung durch die Gläubiger schriftlich innerhalb von drei Monaten nach der Insolvenzeröffnung – allerdings nicht beim Insolvenzverwalter, sondern beim Sachwalter.

Nun folgt auf die vorläufige Eigenverwaltung das Insolvenzverfahren in Eigenregie mit folgenden wichtigen Terminen:

  • Berichtstermin als erste Gläubigerversammlung
    Dieser ist entscheidend für die Zukunft des Unternehmens und das weitere Verfahren. Hier hat die Geschäftsführung über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und deren Ursachen zu berichten und zu erörtern, ob und inwieweit das Geschäft erhalten werden kann. Auf der Grundlage dieses Berichts beschließt die Gläubigerversammlung die Stilllegung oder vorläufige Fortführung des Unternehmens.
  • Prüfungstermin
    Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung prüft der Sachwalter die angemeldeten Insolvenzforderungen und stellt diese zur Insolvenztabelle fest oder bestreitet diese. Die Feststellung und das Bestreiten erfolgen im Prüfungstermin beim Insolvenzgericht.
  • Abwicklungsphase
    In der Regelinsolvenz obliegt es dem Insolvenzverwalter, die Beschlüsse der Gläubigerversammlung umzusetzen, die Insolvenzmasse zu verwerten und die Forderungen der Gläubiger zu tilgen. Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung übernimmt das Unternehmen diese Aufgaben. Dieser Zeitraum kann ein halbes Jahr dauern, aber auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Wie lange das Verfahren letztlich dauert, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, beispielsweise von der Unternehmensgröße und vorhandenem Vermögen.
  • Schlussbericht, Schlusstermin und Schlussverteilung
    Der Schuldner  reicht Schlussbericht und Schlussrechnungslegung beim Insolvenzgericht ein. Wenn von dessen Seite keine Unklarheiten bestehen, legt dieses einen Schlusstermin fest, in welchem der Schuldner noch einmal über die Insolvenz in Eigenverwaltung berichtet und der Sachwalter hierzu Stellung nimmt.

Im Anschluss an den Schlusstermin bewilligt das Insolvenzgericht die Schlussverteilung. Zunächst sind die Verfahrenskosten und sonstige Masseverbindlichkeiten zu bezahlen und erst im Anschluss die Insolvenzforderungen, also diejenigen Ansprüche, die bereits zur Zeit der Insolvenzeröffnung begründet waren. Nach der endgültigen Verteilung der Insolvenzmasse hebt das Gericht das Insolvenzverfahren auf.

Was bedeutet die Insolvenz in Eigenverwaltung für Arbeitnehmer?

Unternehmen sind gewöhnlich auch Arbeitgeber. Deren Insolvenz kann für die Mitarbeiter bedrohlich werden. Gehaltszahlungen bleiben aus oder kommen nur schleppend. Im schlimmsten Fall droht der Verlust des Arbeitsplatzes.

Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung bleibt das Unternehmen verfügungsbefugt. Der Arbeitgeber kann und darf weiterhin selbstständig Kündigungen aussprechen. Allerdings steht er unter Aufsicht des Sachwalters. Auf Antrag der Gläubigerversammlung kann das Gericht anordnen, dass das Unternehmen z. B. nur mit Zustimmung des Sachwalters kündigen darf.

Insolvenz in Eigenverwaltung: Die Dauer hängt u. a. von der Unternehmensgröße und dem vorhandenen Vermögen ab.
Insolvenz in Eigenverwaltung: Die Dauer hängt u. a. von der Unternehmensgröße und dem vorhandenen Vermögen ab.

Bis zur Insolvenzeröffnung gelten die Kündigungsfristen des § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. die im Arbeits- oder Tarifvertrag festgehaltenen Fristen. In dem Moment, in dem das Insolvenzgericht die Insolvenz eröffnet, finden die Kündigungsfristen des § 113 InsO Anwendung –  drei Monate zum Monatsende, sofern im Arbeits- oder Tarifvertrag keine kürzere Frist zur ordentlichen Kündigung vereinbart ist.

Eine außerordentliche Kündigung allein wegen der Insolvenz (in Eigenverwaltung) ist nicht zulässig. Vielmehr verlangt die Rechtsprechung die Einhaltung der Kündigungsfristen. Dies sei ihm durchaus zumutbar, zumal der einzelne Beschäftigte nichts für die finanzielle Schieflage des Betriebs kann.

Allerdings kann im Einzelfall eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist gerechtfertigt sein – vorausgesetzt, dringende betriebliche Erfordernisse wie eine Umstrukturierung oder Betriebsstilllegung machen eine Kündigung erforderlich. Weiterhin muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl treffen und den Betriebsrat anhören, sofern ein solcher vorhanden ist.

Bekomme ich Gehalt während des Insolvenzverfahrens?

Auch während einer Insolvenz in Eigenverwaltung sind Gehälter weiter zu zahlen. Denn während des Insolvenzverfahrens gelten weiterhin die bestehenden Arbeitsverträge, sodass Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung erbringen müssen und im Gegenzug ihr volles Arbeitseinkommen verlangen können.  Auch sonstige Sondervergütungen wie Gratifikationen und Prämien bleiben bestehen.

Prüfen Sie als Arbeitnehmer jeden Monat Ihre Gehaltsabrechnung und die Zahlungen auf Vollständigkeit. Fordern Sie fehlende Beträge schriftlich mit einer genauen Forderungsaufstellung bei Ihrem Arbeitgeber ein.

Es ist nicht ratsam, Bitten des Arbeitgebers auf Lohnverzicht oder -stundung nachzukommen, da dies in der Regel kaum zur Unternehmenssanierung beiträgt. Wer diese Bitte dennoch erfüllen möchte, sollte im Gegenzug eine Sicherheit dafür erhalten, beispielsweise einen Firmencomputer (Hardware).

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Insolvenz in Eigenverwaltung: Sanierung statt Liquidierung
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Über den Autor

Franziska
Franziska L.

Seit 2017 verstärkt Franziska das Redaktionsteam von schuldnerberatung.de. In ihren Texten vermittelt sie Wissen rund um Schuldenabbau, Finanzen sowie Verbraucherschutz und beantwortet Fragen zur Insolvenz und Zwangsvollstreckung. Entsprechendes Fachwissen bringt sie aus ihrer juristischen Ausbildung mit.

4 Gedanken zu „Insolvenz in Eigenverwaltung: Sanierung statt Liquidierung

  1. Rainer

    Mein Arbeitgeber ist in Insolvenz in Eigenverwaltung. Muss mein Arbeitgeber die Kunden darüber schriftlich informieren ?

  2. Rainer

    Meine Frage:
    Ich bin Angestellter in einem Unternehmen „Insolvenz in Eigenverwaltung“. Nun steht die Übernahme durch einen Konkurrenten an. Wie verhalte ich mich als Arbeitnehmer:
    Muss mich die neue Firma übernehmen? Muss mir die alte Firma kündigen, um von der neuen übernommen zu werden?

  3. Albert

    Darf ich dazu eine Frage stellen?
    vor dem LG ist eine Klage wegen der fehlerhaften Behandlung meiner verstorbenen Frau und den behandelnden Arzt anhängig. Die Beklagten haben ihre Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen.
    Das beklagte Krankenhaus hat die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung beantragt. Im Rahmen des Sanierungsverfahrens wurde auf die Sanierung von Krankenhäusern spezialisierten Rechtsanwälte beauftragt und ihnen Generalhandlungsvollmacht erteilt.
    Nun weiß ich nicht weiter. Im Ergebnis ist eine Insolvenz für den von uns geltend gemachten Anspruch nicht erheblich. Denn wenn über das Vermögen der Klinik ein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre, würde § 110 VVG greifen, wonach der Geschädigte ein Absonderungsrecht im Umfang des Freistellungsanspruchs des Versicherungsnehmers (Klinik) gegen den Versicherer, also im Umfang unseres vom Gericht festzustellenden Schadensersatzanspruchs, hat. Der Anspruch muss angemeldet und es muss das Absonderungsrecht geltend gemacht werden.
    Nun ist aber das Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragt worden. Was muss ich denn da tun, um unseren Anspruch – wie im Insolvenzverfahren – zu sichern?

  4. Kurt

    Sehr gute und verständliche Darstellung der oft schwierigen Materie

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