Schutzschirmverfahren: Insolvenz abwenden, Unternehmen sanieren

Das Wichtigste zum Schutzschirmverfahren

Was ist ein Schutzschirmverfahren?

Das Schutzschirmverfahren ist ein vorläufiges Insolvenzverfahren, das die Rettung eines Unternehmens bezweckt.

Kann jedes Unternehmen mit einem solchen Verfahren gerettet werden?

Nein. Sind die Schulden des Betriebs bereits so hoch, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt, so kommt die Firma nicht unter den Schutzschirm.

Welche Folgen hat das Schutzschirmverfahren für Arbeitnehmer?

Für Arbeitnehmer kann das Verfahren den vorzeitigen Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten, denn es erlaubt deren Kündigung ohne Einhaltung von Kündigungsfristen. Wir haben die wichtigsten Fakten hierzu in folgendem Abschnitt erläutert.

Was ist ein Schutzschirmverfahren?

Das Rettungsschirmverfahren kann sanierungsfähige Unternehmen in der Krise vor der Zerschlagung bewahren.
Das Rettungsschirmverfahren kann sanierungsfähige Unternehmen in der Krise vor der Zerschlagung bewahren.

Gerät ein Unternehmen in finanzielle Not, so bedeutet das oft dessen Aus – das Geschäft wird zerschlagen, abgewickelt, liquidiert. Die Geschäftsführung und die Mitarbeiter verlieren ihren Job. So die gängige Meinung und bis 2012 auch die Regel. Heutzutage muss das aber nicht mehr sein. Statt die Regelinsolvenz zu durchlaufen, kann ein Unternehmen unter einen „rechtlichen Rettungsschirm schlüpfen“.

Dieses Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung ist ein besonderes Insolvenzverfahren mit dem Ziel, das Unternehmen zu erhalten und nachhaltig so zu sanieren, dass es wieder ausreichend Gewinne erwirtschaftet. Firmen und Betriebe, die sich in einer Krise befinden, erhalten die Möglichkeit, sich unter eigener Verwaltung zu sanieren und dadurch auch Arbeitsplätze zu retten. Eine endgültige Firmeninsolvenz wird damit abgewendet.

Dazu müssen sie aber so früh wie möglich aktiv werden, und nicht erst, wenn es brennt und das Kind schon fast in den Brunnen gefallen ist. Das heißt, das Unternehmen muss so früh wie möglich einen Insolvenzantrag stellen. Das Schutzschirmverfahren wird daher bereits dann beantragt, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung drohen, aber noch nicht eingetreten sind. Der Antrag erfolgt also freiwillig früher als das Gesetz es vorschreibt.

Die Insolvenzordnung (InsO) verlangt, dass ein Unternehmen spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Insolvenzeröffnung beantragen muss.

Vorteile vom Schutzschirmverfahren nach dem ESUG

Dieses Schutzschirmverfahren wurde 2012 mit dem „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (kurz: ESUG) eingeführt. Die damit verbundene Änderung der Insolvenzordnung soll überlebensfähigen Unternehmen noch bessere Chancen einräumen, die Finanzkrise zu meistern und wieder neu durchzustarten.

Geregelt ist dieses besondere Verfahren in § 270b InsO. Damit gehört das Schutzschirmverfahren systematisch zur Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren. Eigenverwaltung heißt hierbei, dass der Schuldner (und nicht der Insolvenzverwalter) die Verfügungsgewalt und die Finanzhoheit über sein Unternehmen behält. Er bleibt also der Herr der Situation und bekommt lediglich einen Sachwalter zur Seite gestellt. Dieser hat aber nur eine überwachende Funktion.

Der Schuldner erarbeitet im Schutzschirmverfahren gemäß ESUG einen Sanierungsplan.
Der Schuldner erarbeitet im Schutzschirmverfahren gemäß ESUG einen Sanierungsplan.

Doch was bedeutet dieser Schutzschirm konkret? Unternehmen genießen im Schutzschirmverfahren viele Vorteile und einen weitreichenden Schutz, insbesondere ihren Gläubigern gegenüber:

  • Die Geschäftsführung bleibt zunächst im Amt, wenn auch unter Aufsicht eines Sachwalters.
  • Stellt der Schuldner, also das Unternehmen, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung, so bekommt er drei Monate Zeit, um einen Insolvenzplan auszuarbeiten.
  • Für diese Vorbereitungszeit wird vom Insolvenzgericht ein vorläufiger Sachwalter bestellt. Die Unternehmensführung darf sogar einen eigenen Sachwalter vorschlagen.
  • In den drei Monaten dürfen Gläubiger ihre Sicherungsgüter, z. B. vom Schuldner noch nicht bezahlte Maschinen, nicht zurückfordern. Außerdem ist jegliche Zwangsvollstreckung gegen das Unternehmen verboten. So schützt das Gericht den laufenden Betrieb.
  • Anders als die reguläre Insolvenz muss das Schutzschirmverfahren nicht öffentlich bekannt gemacht werden. dennoch empfiehlt es sich, den Schutzschirm offen zu kommunizieren.
  • Dieses besondere Verfahren kann mitunter sehr schnell vonstattengehen, während die Regelinsolvenz im Schnitt vier bis sechs Jahre dauern kann.
  • Während der Eigenverwaltung im Schutzschirmverfahren wird die Sanierung mithilfe eines Insolvenzplans vorbereitet.

Schutzschirmverfahren: Welcher Ablauf ist gesetzlich vorgeschrieben

Unter den insolvenzrechtlichen Schutzschirm kommen nur Unternehmen, die noch sanierungsfähig sind, nicht aber hoffnungslose Fälle. Voraussetzung für die Durchführung des Schutzschirmverfahrens ist es, dass dem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit droht, diese aber noch nicht eingetreten ist.

Auch die Überschuldung kann ein Grund für dieses Verfahren sein, nicht aber die bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit.

Für das Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung müssen verschiedene Anträge gestellt werden.
Für das Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung müssen verschiedene Anträge gestellt werden.

§ 270d Abs. 1 InsO fordert folgende Voraussetzungen für die Einleitung dieses Verfahrens:

  • drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
  • Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts über die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung
  • Eröffnungsantrag des Schuldners
  • Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung
  • Sanierung des Unternehmens ist nicht offensichtlich aussichtslos
  • Antrag auf gerichtliche Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans

Welche Sanierungsmaßnahmen bietet das Schutzschirmverfahren?

Welche Sanierungsinstrumente für die Rettung des Unternehmens zum Einsatz kommt, hängt von der jeweiligen Situation des Betriebs ab. Es können z. B. folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Eine Möglichkeit ist die Befreiung des Unternehmens von Verbindlichkeiten durch den Forderungsverzicht der Gläubiger. Diese werden darauf aber nur eingehen, wenn sie dadurch trotzdem noch besser gestellt werden als bei einer regulären Unternehmensinsolvenz.
  • Auch durch die Kündigung unwirtschaftlicher Leasing-, Miet-, Pacht- und anderer verlustreicher Verträge kann der Betrieb Kosten einsparen.
  • Auch unrentable Aufträge können die Existenz eines Unternehmens bedrohen, sodass im Schutzschirmverfahren ein sofortiger Ausstieg aus diesem Vertrag notwendig werden kann.
  • Manchmal kann eine Firma nur gerettet werden, wenn Personalkosten eingespart und Mitarbeiter gekündigt werden. Hierfür ist oft ein Sozialplan erforderlich, also eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Dieser soll die Nachteile für Arbeitnehmer mildern, die hierbei ihren Arbeitsplatz verlieren. Im Schutzschirmverfahren kann ohne Sozialplan und Kündigungsfrist Personal abgebaut werden.
  • Normalerweise haften Gesellschafter von GbR, OHG, KG und anderen Gesellschaftsformen persönlich mit ihrem Vermögen. Sie können unter dem Schutzschirm ihre persönliche Haftung ausschließen.
  • Auch ungünstige Betriebsvereinbarungen, z. B. über Sonderzahlungen oder geldwerte Vorteile zugunsten der Arbeitnehmer können gekündigt werden.

Ohne die entsprechenden Experten ist die Unternehmenssanierung im Schutzschirmverfahren kaum möglich. Die Verantwortlichen sollten sich daher umgehend an einen spezialisierten Anwalt für Insolvenzrecht wenden.

Was kommt nach dem Schutzschirmverfahren?

Im Schutzschirmverfahren ist ein Personalabbau ohne Einhaltung der Kündigungsfristen möglich.
Im Schutzschirmverfahren ist ein Personalabbau ohne Einhaltung der Kündigungsfristen möglich.

Das Schutzschirmverfahren dauert drei Monate und ist damit ein vorläufiges Insolvenzverfahren. In diesem Zeitraum muss das Unternehmen einen Sanierungsplan erarbeiten und anschließend dem Insolvenzgericht vorlegen.

Im Idealfall wird der Sanierungsplan erfolgreich durchgeführt und das Unternehmen gerettet.

Stellt der Sachwalter oder der vorläufige Gläubigerausschuss jedoch fest, dass der Sanierungsplan gar nicht oder nur zum Nachteil der Gläubiger durchführbar ist, wird das Schutzschirmverfahren aufgehoben. Stattdessen wird das Regelinsolvenzverfahren eingeleitet.

Schutzschirmverfahren: Folgen für Arbeitnehmer

Jedes Jahr müssen Unternehmen aufgrund einer massiven Krise Insolvenz anmelden. Besonders groß ist die Gefahr für den unternehmerischen Mittelstand, in einen finanziellen Engpass zu geraten. Doch wie wirkt sich das Schutzschirmverfahren auf die Arbeitnehmer und deren Gehalt aus?

Manchmal kann der Ruin eines Unternehmens nur abgewendet werden, wenn die Beschäftigten zurückstecken, indem sie auf bestimmte Leistungen verzichten. Im schlimmsten Falle verlieren sie ihren Job. Wir wollen im Folgenden die wesentlichen für die Beschäftigten geltenden Fakten zusammenfassen:

  • Im Schutzschirmverfahren kann einem Arbeitnehmer die Kündigung ohne Sozialplan und Kündigungsfristen innerhalb von drei Monaten ausgesprochen werden.
  • Es gelten keine Kündigungsfristen, weder die gesetzlichen noch arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche.
  • Der Arbeitnehmerschutz gilt nur noch sehr eingeschränkt. So wird beispielweise der Kündigungsschutz stark beschnitten, weil bei einer ausgesprochenen Kündigung des Arbeitgebers vermutet wird, dass dies betriebsbedingt erfolgte.
  • Der Personalabbau ist auch ohne Abfindung bei einem Schutzschirmverfahren möglich.
  • Auch im Schutzschirmverfahren gibt es Insolvenzgeld: Die Agentur für Arbeit zahlt das Gehalt der Mitarbeiter für die Dauer von drei Monaten.

Meistens kündigt sich die Insolvenz des Arbeitgebers schon im Vorfeld an. Lohn wird verspätet bis gar nicht bezahlt. Arbeitnehmer müssen in dieser Situation richtig reagieren.

  • Prüfen Sie Ihre Gehaltsabrechnungen auf Vollständigkeit.
  • Wurde das Gehalt nicht korrekt bezahlt, sollten Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber mittels einer Forderungsaufstellung über die fehlenden Lohnbestandteile schriftlich zur Zahlung auffordern.
  • Es ist in der Regel nicht ratsam, Bitten nach einer Lohnstundung oder einem Lohnverzicht nachzukommen. Diese allein retten das Unternehmen meistens nicht.

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Schutzschirmverfahren: Insolvenz abwenden, Unternehmen sanieren
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Über den Autor

Franziska
Franziska L.

Seit 2017 verstärkt Franziska das Redaktionsteam von schuldnerberatung.de. In ihren Texten vermittelt sie Wissen rund um Schuldenabbau, Finanzen sowie Verbraucherschutz und beantwortet Fragen zur Insolvenz und Zwangsvollstreckung. Entsprechendes Fachwissen bringt sie aus ihrer juristischen Ausbildung mit.

Ein Gedanke zu „Schutzschirmverfahren: Insolvenz abwenden, Unternehmen sanieren

  1. Stine

    Ich bin gerade sehr verunsichert, da ich zur Zeit über eine Leiharbeitsfirma in einem größeren Unternehmen, noch beschäftigt bin. Jetzt hat die Leihfirma ein Schreiben geschickt, in dem sie mitteilt das sie ein Schutzschirmverfahren eingeleitet hat. Für die Monate Mai, Juni & Juli sollen die Gehälter von der BAfA gezahlt werden & ich eine Abtretungserklärung hierzu unterschreiben muss.
    Im Juli 2020 bin ich dann insgesamt schon 15 Monate über die Leihfirma in dem Großunternehmen Angestellt, da es eine Verlängerung von Seiten des Unternehmens mir gewährt wurde. Auf Grund von sehr guten Arbeitsleistungen, Arbeitseinstellung ect. … Meine Leihfirma hatte mir dies ebenso immer wieder bestätigt. Auf Grund der Coronakrise hat das Großunternehmen mit dem Betriebsrat beschlossen, daß es keine Betriebsbedingten Kündigungen (auch nicht Leiharbeiter) bis Ende August ausgesprochen werden dürfen. Somit hätte ich eigentlich einen Monat schon länger dort verbleiben dürfen. Jetzt bin ich mir aber überhaupt nicht mehr sicher, ob dies auf Grund des eingeleiteten Schutzschirmverfahren, noch möglich ist.
    Die Großfirma selber darf auf Grund bestehender Kurzarbeit keine Unbefristeten Festanstellungsverträge ausstellen.
    Meine Frage hierzu ist: „Bestünde die Möglichkeit (Gesetz den Fall das die Leihfirma mir Kündigen sollte) mit dem Großunternehmen einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen???“
    Über eine entsprechende Antwort zu dieser Problematik, wäre ich sehr Dankbar.
    Vielen Dank, mit freundlichen Grüßen
    ein betroffener Arbeitnehmer

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